© Titelbild: Stift Altenburg, Kupferstich aus: Georg Matthäus Vischer, Topographia archiducatus Austriae inferioris modernae, 1672 © IMAREAL

875 Jahre Stift Altenburg

875 Jahre ist es her, dass zwölf Benediktinermönche aus dem steirischen Kloster St. Lambrecht hier auf dem Felssporn über dem Kamp ihre Zellen bezogen. Nach ihrer alten Heimat nannten sie das Kloster „St. Lambertus zu Altenburg“. Sie folgten dem Ruf Hildburgs von Poigen. Nach dem Tod ihres Gatten Gebhard von Poigen hatte sie neben der Gruftkirche ein kleines Kloster errichtet. Sie stattete es mit Landbesitz und einem Teil der Einnahmen ihrer Pfarre Horn aus. Die Mönche sollten hier in ihren Gebeten den Herren des Poigreiches gedenken. „Poigreich“ war der alte Name für die Herrschaft Horn. Schon zwölf Jahre nach der Klostergründung starb der letzte der von Poigen und die Vogtei über das kleine Klosterreich fiel an die babenbergischen Landesfürsten. 

Unter Abt Ulrich (1260–1283) erlebte das Stift eine erste Blüte. Durch Schenkungen und Stiftungen vermehrte sich der Besitz. Rege Bautätigkeit setzte im Klosterbereich ein. Kirche und Klostergebäude wurden um- und ausgebaut oder neu errichtet. Allerdings blieb das Kloster von Rückschlägen nicht verschont: So wurde das Kloster 1304 und 1327 durch  Kumanen, zwischen 1422 und 1430 durch Hussiten, 1467 durch die Truppen Viktorin Podiebrad verwüstet. Immer wieder mussten Gebäude erneuert werden. Schwer setzte dem Kloster auch die Einhebung der „Türkensteuer“ ab 1527 zu. Um die hohen Beträge aufbringen zu können, mussten Besitzungen verkauft werden. 1552 wurden die Klostergebäude als „wüster Steinhaufen“ bezeichnet.

Während des Dreißigjährigen Krieges besetzten 1619/20 protestantische Truppen das Stift. Sie bedienten sich an den Vorräten des Stiftes und schleppten Lebensmittel, Tiere, Waffen und Rüstungen weg. Auch Kunstgegenstände wurden entwendet, so ein „künstlerisches Schreibzeug von Ebenholz und Elfenbein“ im Wert von 4000 Gulden. Die Schäden blieben nicht auf das Stift beschränkt. Auch die Untertanen hatten schwere Einbußen erlitten; sie wurden auf 69.390 Gulden geschätzt. Der Krieg war aber noch nicht zu Ende. Im März 1645 kamen die schwedischen Truppen unter General Torstenson. Alles, was in Schüttkasten und Keller war, fiel ihnen in die Hände. Zumindest das Kircheninventar konnte P. Lambert Sangner, der als einziger im Stift geblieben war, erfolgreich mit Worten verteidigen.  

Das barocke Juwel

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Stift Altenburg – Johannishof mit spätbarocken Portalbau © Elisabeth Vavra
Die katastrophale finanzielle Lage des Stiftes verlangte nach dem Tod des im März 1648 verstorbenen Abtes Zacharias nach einem „starken Mann“. Man fand ihn im Melker Profeß P. Benedikt Leiss. Als 1650 dann die Kirche durch Blitzschlag abbrannte, begann er mit der Planung einer kompletten neuen Klosteranlage. Der Maurermeister Bartholomäus Lucas aus Waidhofen an der Thaya wurde unter Vertrag genommen. Das alte Klostergebäude wurde aufgegeben und eingeebnet. Bauteile, wie etwa die um den Brunnen- und Konventhof entstanden. Der Neubau zog sich schleppend hin. Erst Abt Placidus Much sollte es vergönnt sein, zu  dem „Barockabt“ des Stiftes zu werden. Der kaum Dreißigjährige wurde am 19. Mai 1715 gewählt. Für die Umgestaltung des Stiftes holte er sich vermutlich bereits 1729 den „Pau- und Maurermeister“ Josef Munggenast aus St. Pölten. Zunächst schuf dieser unter Beibehaltung der Strukturen des gotisch-frühbarocken Vorgängerbaus die heutige Barockkirche mit längsovalem überkuppelten Zentralraum in der Mitte des Langhauses. Schon 1735 konnte Dechant B. Hölzl anlässlich seiner Visitation berichten: „Die alte baufällige Kirche hat der Abt Placidus mit großen Aufwand neu hergestellt und mit sieben Altären geschmückt, so daß außer der Stadt Wien, wenn man noch Melk ausnimmt, in ganz Niederösterreich keine gleiche zu finden ist.“

Aber mit der Kirche war es noch nicht getan. Nun ging es an den Ausbau der Klostergebäude. Munggenasts erster Plan – die Schaffung einer vierflügeligen schlossartigen Anlage – scheiterte an dem Wunsch, die Bauteile des 17. Jahrhunderts in die neue Anlage miteinzubeziehen. Die heutige ausgedehnte, um sechs Innenhöfe angelegte Klosteranlage war ein Kompromiss. Zum Kamp hin schuf Munggenast die monumentale, 208 Meter lange Ostfassade, in deren Zentrum die Apsis der Stiftskirche liegt: Der nördliche Teil mit den Kaiserzimmern symbolisiert die reale Welt, der südliche Teil mit Krypta und Bibliothek den über die Vergänglichkeit siegenden göttlichen Geist und die Kirche die Ewigkeit Gottes im Glanz des Himmels (Rupert Feuchtmüller). Der Zugang zum Kloster erfolgte nun durch einen elegant strukturierten Portalbau. Von seiner dreischiffigen Torhalle aus führen Stiegen zur Prälatur und Schatzkammer im Westen und zu dem über der Torhalle liegenden Festsaal und dem Gästetrakt im Osten.  

Stift der Künstler

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Paul Troger, Fresko der Hauptkuppel, 1733 © Elisabeth Vavra
Zur Ausstattung der neu entstehenden Räumlichkeiten holte Abt Placidus Much die besten Künstler des Landes heran: Für die Fresken und die Altarbilder in der Stiftskirche zeichneten Paul Troger und Johann Georg Schmidt, gen. der Wiener Schmidt, verantwortlich. Die reiche ornamentale und figurale Stuckausstattung schuf Franz Joseph Holzinger, den man von seiner Arbeit im Stift St. Florian wegholte. Viele der zahlreichen Skulpturen im Stift entstanden im Atelier des Eggenburger Bildhauers F. Leopold Fahrmacher. Bei der Ausstattung der Stiftsräume mit Stuck unterstützte Johann Georg Hoppel die Arbeiten. An der Seite Paul Trogers war Jakob Zeiller im Festsaal und in der Bibliothek tätig. Die Stuckarbeiten, Plastiken und Marmorierungen in der Bibliothek schuf Johann Michael Flor, ein Schüler Holzingers.

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Blick in die Ausstellungsräume der Sammlung Arnold © Stift Altenburg/Emil Jovanov
Finanziert wurde das gewaltige Vorhaben durch „die kluge, wohlgeordnete und weise Ökonomie“ des Abtes Placidus Much. Es war aber nicht nur sein Geschick in der Verwaltung der Stiftsökonomie. Wertvolle Beiträge dürften auch drei Kandidaten geleistet haben, die zu dieser Zeit ins Stift mit einer „Mitgift“ von jeweils 200.000 Gulden eintraten. Abt Placidus selbst verfügte ebenfalls über ein beträchtliches jährliches Einkommen: Im Rahmen seiner erfolgreichen „politischen“ Tätigkeit als Vertreter im Prälatenstand erhielt er jährlich ein Salär von zusammen 9.000  Gulden. Er ließ sich aber auch bei der Bezahlung „seiner“ Künstler nicht lumpen: So bekam Paul Troger für die Ausmalung der großen Kuppel in der Stiftskirche 1.900 Gulden (etwa 138.000 €) bei freier Kost und Logis, überdies noch 60 Eimer Nußberger Wein.

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Johann Georg Platzer (1704-1761), Die Hochzeit von Theseus und Phaidra, um 1735/39 © Stift Altenburg/Fotostudio Stanger
Aber auch heute noch kommt das Stift seiner Aufgabe als Hüter der Künste nach: Seit 2018 beherbergt das Stift in seinen Räumen die Sammlung Arnold. Vierzig Jahre lang hatte der Innsbrucker Jurist Konrad Arnold gemeinsam mit seiner Frau Gemälde des Barocks gesammelt. Auf der Suche nach einem Zuhause für diese Bilder bot sich das Stift Altenburg als idealer Ort an. Im August 2017 erfolgte die Schenkung. Unter den Kabinett- und Andachtsbildern, Skizzen und Kleinformaten sind Künstler wie Johann Michael Rottmayr, Paul Troger, Johann Georg Platzer, Johann Wenzel Bergl, Johann Christian Wink, Januarius Zick und Martin Johann Schmidt vertreten.

Stift der Gärten

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Garten der Religionen © Stift Altenburg/Schewig Fotodesign
Schon die Benediktusregel zählte Gärten zu den notwendigen Einrichtungen eines Klosters. Auf dem ältesten erhaltenen Idealplan einer Klosteranlage ­– dem St. Galler Klosterplan, zwischen 819 und 826 entstanden – umschließt der Kreuzgang einen Garten, in dessen Mitte ein Sadebaum steht. Hinter der Wohnung des Arztes liegt der Heilkräutergarten, der Friedhof dient auch als Baum- und Obstgarten. Ganz dieser Tradition verpflichtet fühlt sich auch das Stift Altenburg. In den letzten Jahrzehnten entstanden liebevoll angelegte Gartenanlagen im und rund um das Kloster – der Schöpfungsgarten, der Apothekergarten, der Kreuzganggarten, der Garten der Religionen und der Garten der Stille. 

Im Süden der Stiftskirche liegt der „Schöpfungsgarten“. Seine Wegführungen und Pflanzen thematisieren die Schöpfungsgeschichte. Auf der Fläche des ehemaligen Stiftsparks entstand 2006 der „Garten der Religionen“. Die fünf Felder beschäftigen sich mit den Beziehungen der Weltreligionen zueinander, zeigen Gemeinsamkeiten und Trennendes zwischen Christentum, Judentum, Islam, Buddhismus und Hinduismus auf. Sein Konzept fußt auf der „Erklärung über die Haltung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“, die das Zweite Vatikanische Konzil am 26. Oktober 1965 verabschiedete. 

Seit 2009 können sich die Besucher*innen am „Garten der Stille“ erfreuen. Er erstreckt sich vor der Ostfassade des Stiftes. So wie sein barocker Vorgänger – der ehemalige Tiergarten – schlägt er die Brücke zur freien Natur. Seine Elemente – Streuobstwiese, Schmetterlingswiese, Nützlingshotel und Hollergarten – zeigen Möglichkeiten einer naturnahen Gartengestaltung. Ein Skulpturenweg, gestaltet durch die Bildhauerin Eve Vorpagel-Redl, führt in den nahen Wald. Die mittelalterliche Pflanzensymbolik greift der Kreuzganggarten auf: Iris, Efeu, Maiglöckchen, Himmelschlüssel, Zyklamen, Pfingstrosen und Rosen zieren die Fläche rund um den alten Brunnen.

Text: Prof.in Dr.in Elisabeth Vavra

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